Friedrich Hölderlin Gedichte

Andenken

Der Nordost wehet, 
Der liebste unter den Winden 
Mir, weil er feurigen Geist 
Und gute Fahrt verheißet den Schiffern. 
Geh aber nun und grüße 
Die schöne Garonne, 
Und die Gärten von Bordeaux 
Dort, wo am scharfen Ufer 
Hingehet der Steg und in den Strom 
Tief fällt der Bach, darüber aber 
Hinschauet ein edel Paar 
Von Eichen und Silberpappeln;
Noch denket das mir wohl und wie 
Die breiten Gipfel neiget 
Der Ulmwald, über die Mühl, 
Im Hofe aber wächset ein Feigenbaum. 
An Feiertagen gehn 
Die braunen Frauen daselbst 
Auf seidnen Boden, 
Zur Märzenzeit, 
Wenn gleich ist Nacht und Tag, 
Und über langsamen Stegen, 
Von goldenen Träumen schwer, 
Einwiegende Lüfte ziehen.
Es reiche aber, 
Des dunkeln Lichtes voll, 
Mir einer den duftenden Becher, 
Damit ich ruhen möge; denn süß 
Wär unter Schatten der Schlummer. 
Nicht ist es gut, 
Seellos von sterblichen 
Gedanken zu sein. Doch gut 
Ist ein Gespräch und zu sagen 
Des Herzens Meinung, zu hören viel 
Von Tagen der Lieb, 
Und Taten, welche geschehen.
Wo aber sind die Freunde? Bellarmin 
Mit dem Gefährten? Mancher 
Trägt Scheue, an die Quelle zu gehn; 
Es beginnet nämlich der Reichtum 
Im Meere. Sie, 
Wie Maler, bringen zusammen 
Das Schöne der Erd und verschmähn 
Den geflügelten Krieg nicht, und 
Zu wohnen einsam, jahrlang, unter 
Dem entlaubten Mast, wo nicht die Nacht durchglänzen 
Die Feiertage der Stadt, 
Und Saitenspiel und eingeborener Tanz nicht.
Nun aber sind zu Indiern 
Die Männer gegangen, 
Dort an der luftigen Spitz 
An Traubenbergen, wo herab 
Die Dordogne kommt, 
Und zusammen mit der prächtgen 
Garonne meerbreit 
Ausgehet der Strom. Es nehmet aber 
Und gibt Gedächtnis die See, 
Und die Lieb auch heftet fleißig die Augen, 
Was bleibet aber, stiften die Dichter.

 

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